Wegweiser

Hier findet ihr weitere Infos zu den auf unseren Wegweisern genannten Orten.

In Heidelberg und Umgebung

BAMF Außenstelle Heidelberg


Entscheidet über Asylanträge nach einer inhaltlichen Prüfung der Fluchtgründe.

Weltweit stieg die Zahl der Geflüchteten in 2022 auf über 100 Millionen Menschen.
Auch in Deutschland waren aufgrund des Krieges in der Ukraine deutlich höhere Zahlen zu verzeichnen. Es kamen über 1 Million geflüchtete Menschen aus der Ukraine nach Deutschland. Allerdings mussten sie keinen Asylantrag stellen, sondern erhielten zunächst vorübergehenden Schutz und eine auf 2 Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis.
Im Jahr 2022 wurden laut BAMF 244.000 Asylanträge gestellt, mit eingerechnet sind Folgeanträge und Anträge in Deutschland geborener Kinder.
Mit 55 % kam über die Hälfte aller Asylsuchenden aus Syrien (71.000) und Afghanistan (36.000). Weitere Hauptherkunftsländer waren die Türkei (24.000), der Irak (15.000), Georgien (8.000) und der Iran (6.300). Menschen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit (4.700) – die meisten vermutlich Palästinenser*innen aus Syrien – sowie Somalia (3.900), Eritrea (3.900) und die Russische Föderation (2.900) vervollständigen die Liste der Top 10 der Hauptherkunftsländer.
Entschieden hat das BAMF über Asylverfahren von 228.673 Personen. Im laufenden Jahr 2023 sind es bislang 68.119 Entscheidungen.
Mit über 72 % lag die Schutzquote im vergangenen Jahr so hoch wie noch nie, d.h. fast drei Viertel aller Asylsuchenden, deren Asylantrag in Deutschland geprüft wird, erhält die Flüchtlingsanerkennung (23 %), den subsidiären Schutz (32 %) oder ein nationales Abschiebungsverbot (17 %). Aus inhaltlichen Gründen abgelehnt wurden demnach 28 % aller Asylanträge.
Die hohe Schutzquote im Jahr 2022 ist vor allem auf die humanitäre und menschenrechtliche Situation in den Hauptherkunftsländern zurückzuführen, die kaum Ablehnungsbescheide zulässt.
Knapp 51.000 Fälle hat das BAMF formell erledigt, d.h. die Asylgründe dieser Menschen wurden nicht geprüft, z.B. aufgrund der Dublin-Verordnung.
Gegen einen ablehnenden Bescheid des Bundesamtes können Rechtsmittel beim Verwaltungsgericht eingelegt werden.
Gegen 88 % der »einfach« abgelehnten Asylbescheide wurde im vergangenen Jahr geklagt, besonders häufig klagten Schutzsuchende aus der Türkei (94 %) und dem Iran (92 %).
37 % der inhaltlich überprüften Asylklagen hatten Erfolg und führten zu einem Status oder verbessertem Schutz. Insgesamt erhielten ca. 40.000 Menschen, deren Asylantrag zunächst abgelehnt wurde einen nachträglichen Schutzstatus, entweder durch Gerichtsentscheid oder nachträgliche Korrektur des BAMF.

Symbolbild. ARCHIV – 15.03.2018, Bayern, Nürnberg: Außenansicht vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Foto: Daniel Karmann/dpa +++(c) dpa – Bildfunk+++ | Verwendung weltweit

Abschiebegefängnis Pforzheim

Isolation und Kriminalisierung Geflüchteter.

Die Abschiebungshafteinrichtung in Pforzheim befindet sich in der Oststadt innerhalb eines Wohngebietes. Zweck der Einrichtung  ist die Verwahrung und Betreuung von Ausländern zur Sicherung der Abschiebung. Insgesamt bietet die Einrichtung Platz für 51 Menschen. Das Gebäude wird bereits seit geraumer Zeit ausgebaut und soll dann über 79 Haftplätze verfügen. (Stand 11/2022) Sie wird geführt durch das Regierungspräsidium Karlsruhe, das landesweit für die Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen (Abschiebung) sowie für den Vollzug der Abschiebehaft zuständig ist.    
Gesetzliche Grundlage der Abschiebehaft ist § 62 Aufenthaltsgesetz. Die Abschiebehaft muss von einem Gericht angeordnet werden, längstens für einen Zeitraum von 6 Monaten. Sie kann aber um weitere 12 Monate verlängert werden. Auch Minderjährige oder Familien mit minderjährigen Kindern können von Abschiebehaft betroffen sein.
Abschiebehaft stellt eine freiheitsentziehende Maßnahme und einen schweren Eingriff in die Grundrechte dar. Angewandt wird sie gegen ausreisepflichtige Ausländer, mit der Begründung, ein Untertauchen verhindern zu wollen.
In den letzten Jahren wurde immer wieder Kritik an der Unterbringung in der Abschiebehaft Pforzheim geäußert. Kritisiert wurden die gefängnisähnlichen Haftbedingungen, der erschwerte Zugang zu Unterstützung und Beratung, die fehlende psychologische und medizinische Betreuung sowie Einschränkungen der freien Religionsausübung.
Im März 2022 befanden sich einige Häftlinge im Hungerstreik, sie berichteten über gewaltsame Übergriffe und Beleidigungen seitens des Vollzugspersonals sowie dem Entzug von dringend benötigten Medikamenten. (18. März 2022 · Hungerstreik und Gewaltvorwürfe in der Abschiebungshaft – Flüchtlingsrat Baden-Württemberg)
Das Forum Asyl und der Arbeitskreis Abschiebehaft haben in den letzten Jahren häufig auf die schlechten Bedingungen und auf Menschenrechtsverletzungen hingewiesen.
In einem Gespräch mit Pro Asyl äußerte der Anwalt Peter Fahlbusch, dass er zwischen 2001 und 2019 über 1.700 Menschen in Abschiebungshaft vertreten hat, von denen etwa 50% zu Unrecht in Haft waren. Zum Teil werden Menschen inhaftiert, die nicht ausreisepflichtig sind, teilweise besteht kein Haftgrund oder die Menschen sind aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation nicht haftfähig.
Hinter jeder Abschiebung steckt ein Mensch mit einer eigenen Geschichte. Ein Mensch, der durch die Abschiebepolitik systematisch entwürdigt und entrechtet wird.
Abschiebungen sind für die Betroffenen mit großer Angst und Verzweiflung verbunden, oft auch mit Gewalt. Und nicht nur für die betroffenen Menschen, sondern auch für deren Umfeld können die Abschiebungen extrem belastend sein.

Deutschlandweit und International

Verkehrsministerium (FDP)


Will mit neuer „Schiffssicherheitsverordnung“ zivile Seenotrettung verhindern

Zu den Versuchen, die Seenotrettung zu behindern, gehören schon seit längerem Regelungen, die unter Verkehrsminister Scheuer in der letzten Legislaturperiode vorgenommen werden. Der Nachfolger Minister Wissing nimmt diese politische Linie entgegen den Koalitionsvereinbarungen auf und plant die Schiffssicherheitsverordnung so zu ändern, dass die Mehrheit der Seenotrettungsschiffe unter deutscher Flagge den Vorschriften nicht entsprechen und auf diese Weise ihre lebensrettende Arbeit einschränken oder einstellen müssen. Die Rechtsänderungen stehen in einem Zusammenhang auf europäischer Ebene: auch von der italienischen Regierung aus werden immer neue Verordnungen erlassen, die die Arbeit der Seenotrettung erschweren. In Abwesenheit eines staatlich koordinierten Rettungsprogramms sind es zivile Organisationen, die sich dem politisch kalkulierten Sterbenlassen an den Außengrenzen der EU entgegenstemmen.

Bundesregierung plant Behinderung ziviler Seenotrettung: Mehrheit der deutschen Seenotrettungsschiffe werden blockiert • Sea-Watch e.V.

Bundesministerium für Digitales und Verkehr
Quelle: BMDV – Allgemein (bund.de) [20:46 | 17.04.2023]



Libyen


Illegale Pushbacks finanziert von der EU

In Libyen werden zehntausende Geflüchtete in illegalen Gefangenenlagern festgehalten. Das Geschäft mit Entführungen und Lösegelderpressungen blüht, Geflüchtete werden in großer Zahl gefoltert, versklavt, verkauft und ermordet. Über die Zustände in Libyen wurde inzwischen vielfach berichtet.
Seit einiger Zeit lässt die EU besonders schutzbedürftige Menschen nach Niger evakuieren – in eines der ärmsten Länder der Welt. Das Versprechen, einige zehntausend der Flüchtlinge nach Europa zu bringen, wurde bislang nicht eingelöst. (Pro Asyl: Tod an Europas Außengrenzen)
Länder, die Migration nach Europa bekämpfen werden mit wirtschaftlichen und politischen Vorteilen belohnt. Die sogenannte libysche Küstenwache, die auch in Verbindung mit Milizen steht, wird mit EU-Geldern finanziell unterstützt und ausgebildet.
Die europäische Grenzschutzagentur Frontex überwacht das Mittelmeer, u.a. mit Drohnen aus der Luft und spürt Flüchtlingsboote in den internationalen Rettungszonen auf. Die Koordinaten der Boote werden den internationalen Seenotleitstellen gemeldet, somit auch der libyschen. Die libysche Küstenwache fängt die Flüchtlingsboote in den internationalen Gewässern ab und schleppt die Boote gewaltsam zurück nach Libyen, wo die Menschen in den Gefangenenlagern inhaftiert werden. Dies widerspricht dem Non-Refoulement-Prinzip, das besagt, dass Geflüchtete nicht in Länder zurückgewiesen werden dürfen, in denen ihnen Menschenrechtsverletzungen drohen. (s. EU- Menschenrechtskonvention, Genfer-Flüchtlingskonvention) Durch ihre Kooperation mit der libyschen Küstenwache tragen die EU und ihre Mitgliedsstaaten an den Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen in den libyschen Gefängnissen eine Mitverantwortung.

Gleichzeitig wurde die privaten Seenotrettungs-NGOs zunehmend kriminalisiert. Man wirft ihnen vor illegale Migration zu begünstigen und dazu beizutragen, dass Menschen die Fluchtroute über das Mittelmeer wagen.



Mittelmeer


Tödlichste Fluchtroute nach Europa

Die humanitäre und politische Krise erstreckt sich über alle drei Mittelmeerregionen, von der Ägäis über das zentrale Mittelmeer bis zum westlichen Mittelmeer und der Atlantik-Route. Jährlich sterben im Mittelmeer tausende Menschen bei dem Versuch in Europa Schutz vor Krieg und Konflikten, Menschenrechtsverletzungen oder den Auswirkungen der Klimakrise zu suchen. Da keine sicheren Fluchtwege in die EU existieren sind die Menschen gezwungen in teilweise seeuntüchtigen Booten die lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer anzutreten. Im Jahr 2023 (Stand: 12. März 2023) starben bisher 383 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer.
2022 erreichten insgesamt 150.177 Personen Europa über den Seeweg. Insgesamt haben im selben Jahr 1.940 Personen die Überfahrt nicht überlebt oder gelten als vermisst. Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich weit höher. Seit dem Jahr 2014 waren bis März 2023 mehr als 26.141 Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken.
Mittelmeer Flüchtlinge: Immer noch sterben viele Menschen (uno-fluechtlingshilfe.de)

Internationales Seerecht gebietet, dass jeder Kapitän verpflichtet ist, Personen, die auf See in Lebensgefahr geraten zu retten und in einen sicheren Hafen zu bringen. Obwohl es diese völkerrechtliche Verpflichtung zur Rettung in Seenot geratener Menschen gibt, gibt es kein europäisches Seenotrettungsprogramm. Alle Aktivitäten dahingehend wurden eingestellt. Darüber hinaus wird Arbeit privater Seenotrettungsorganisationen zunehmend erschwert. Auch wenn es gelingt, Geflüchtete aus Seenot zu retten, weigern sich Mittelmeer-Anrainerstaaten immer wieder, die Schiffe in Häfen einlaufen und Geflüchtete an Land gehen zu lassen – trotz zum Teil dramatischer humanitärer Situation an Bord.

Zentrales Mittelmeer: Unterlassene Hilfeleistung und Aufrüstung libyscher Milizen
Die Menschenrechtsverletzungen in Libyen sind der EU hinlänglich bekannt, dennoch rüstet sie weiter die libysche Küstenwache aus, die mit lokalen Warlords kooperiert. Im zentralen Mittelmeer ist es gängige Praxis, dass Flüchtlingsboote an die „libysche Küstenwache“ gemeldet werden, die diese dann nach Libyen zurückbringt. Dies widerspricht Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention, der die Zurückweisung von Flüchtlingen in Gebiete untersagt, wo deren Leben und Freiheit bedroht ist.

In der Ägäis finden regelmäßig systematische Pushbacks von Schutzsuchenden statt.
Die griechische Küstenwache zerstörte unter den Augen von Frontex die Motoren von Flüchtlingsbooten, trieb diese in türkische Gewässer zurück oder setzte sie auf aufblasbare, manövrierunfähige Rettungsinseln in der Ägäis aus. Selbst Geflüchtete, die bereits griechischen Boden erreicht haben, müssen befürchten zurückgeschoben zu werden.

Spanien: immer mehr Schutzsuchende müssen auf die gefährlichere Route über den Atlantik auf die kanarischen Inseln ausweichen.
Aufgrund der verschärften Kontrollen in den europäischen Enklaven Melilla und Ceuta und im nördlichen Marokko sind immer mehr Schutzsuchende gezwungen diese Route zu wählen. 2021 kamen etwa 1.153 Personen auf dem Weg über den Atlantischen Ozean ums Leben oder werden seither vermisst; (2014 bis Ende 2022 insgesamt 3072 Tote oder Vermisste)

Symbolbild. Quelle: https://blog.amnestyusa.org/iar/trapped-in-europes-new-refugee-camp-greece/



Hotspot-Lager auf Griechischen Inseln (Moria)

Verletzen laut Gerichtsbeschlüssen menschenrechtliche Standards

Es ist eine wesentliche Strategie der europäischen Abschottungspolitik, Geflüchtete möglichst nah an den Außengrenzen festzuhalten. Ein politischer Aspekt, der das begünstigt, sind die sogenannten Dublin-Regeln. Sie besagen, dass jener Staat, in dem Geflüchtete erstmals registriert werden, für deren weiteres Asylverfahren zuständig ist. Griechenland als einer der Grenzstaaten ist für viele Geflüchtete zuständig. Viele von ihnen werden in menschenunwürdigen Camps auf den ägäischen Inseln festgehalten. Durch die Verschleppung von Verfahren und lange Verfahrensdauer sitzen Menschen zum Teil über Jahre auf den Inseln fest. Die Lager sind darüber hinaus vielfach auf wesentliche geringere Zahlen von Menschen und auf kurze Aufenthalte ausgelegt.
Ein besonders extremes Beispiel stellt das Lager Moria auf Lesbos dar. Es war für 2800 Menschen konzipiert worden, teilweise lebten dort aber bis zu 16 000 Menschen unter katastrophalen Zuständen. Nachdem Moria 2020 bei einem Großbrand zerstört worden war, versprach die EU „No More Morias“. Tatsächlich aber bestehen die Lagerstrukturen auf den ägäischen Inseln fort. Die Lebensumstände dort sind charakterisiert durch unzureichende Nahrungsversorgung, sehr schlechte medizinische Versorgung und katastrophale hygienische Zustände. Eine besorgniserregende Entwicklung ist auch, dass es sich bei neu gebauten Camp-Strukturen (etwa auf der Insel Samos) um Hochsicherheitslager mit gefängnisartigen Zuständen handelt.

Die menschenunwürdigen Zustände in den Lagern sind gewollt und ein bewusstes Element der europäischen Abschottungs- und Abschreckungspolitik. Es handelt sich nicht um eine „humanitäre Katastrophe“, sondern um die Folgen gewollter politischer Entscheidungen. Inzwischen gibt es sogar Gerichtsurteile, die bestätigen, dass die Bedingungen in den Lagern gegen Menschenrechte verstoßen.



Trapani


Festsetzung des Rettungsschiffs Iuventa – Kriminalisierung von Flucht und ziviler Seenotrettung

Das zivile Seenotrettungsschiff Iuventa war bis Sommer 2017 im Dauereinsatz, mit ihr konnte mehr als 14.000 Menschen in Seenot geholfen werden. 2017 wurde das Rettungsschiff Iuventa beschlagnahmt und rottet seitdem im Hafen von Trapani vor sich hin. Ein italienisches Gericht hat im Dezember 2022 entschieden, dass die Hafenbehörden das Schiff zu dem Zustand wiederinstandsetzen müssen, den es zum Zeitpunkt der Beschlagnahmung hatte.
Sowohl das italienische Innenministerium als auch das Büro der Premierministerin haben im Dezember 2022 beantragt, als Nebenkläger*innen in dem Verfahren zugelassen zu werden. Dies dient dem Ziel, Schadenersatz von denjenigen zu fordern, die zur Rettung von Menschen in Seenot beigetragen haben. Nach Ansicht der Regierung ist dem italienischen Staat ein erheblicher „finanzieller und moralischer Schaden“ entstanden. Es ist mehr als zynisch von „finanziellem und moralischem Schaden“ zu sprechen, wenn es darum geht, dass Menschen vor dem Tod auf See gerettet und in Sicherheit gebracht wurden und damit nicht nur dem Völkerrecht, sondern auch grundlegenden moralischen Verpflichtungen entsprochen wurde. Dies zeigt deutlich, wie die italienische Regierung zu internationalem Recht und Menschenrechten steht.
Da die Iuventa seit der Beschlagnahmung weiterhin in Trapani verrottet, und damit eine echte Umweltgefahr darstellt, hat die Besatzung der Iuventa im Februar 2023 bei der Staatsanwaltschaft in Trapani Strafanzeige erstattet und fordert eine Untersuchung der Vorfälle. Der Anwalt der Iuventa-Crew erklärt, dass Vernachlässigung in der Verwahrung nach italienischem Recht eine Straftat ist. Der sich stetig verschlechternde Zustand des Schiffes wurde den italienischen Behörden im Laufe der letzten Jahre mehrfach gemeldet. Es wurden jedoch keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, um den Zustand des Schiffes zu erhalten. Durch das Verrottenlassen des Schiffes nach der Beschlagnahmung wurde ein Schiff zerstört, das weitere Menschenleben hätte retten können. Damit hat das Verrottenlassen eine politische Dimension, es wird mit allen Mitteln versucht, die Kapazitäten der zivilen Flotte zu verringern.

Symbolbild. Quelle: Seebrücke Heidelberg.




Flughäfen Frankfurt und Baden-Baden


Abschiebeflüge in Kriegs- und Krisengebiete.

2022 wurden 12.945 ausreisepflichtige Personen aus Deutschland abgeschoben – etwa acht Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. 4.158 von ihnen wurden im Rahmen der Dublin-III-Verordnung in einen anderen EU-Mitgliedstaat überstellt.
Auch Baden-Württemberg weist gestiegene Abschiebezahlen auf, insgesamt 1654 Menschen. Das häufigste Herkunfts- und Zielland ist Nordmazedonien (207), das zweithäufigste Zielland Italien (127), gefolgt von Gambia (87), Georgien (84), Pakistan (83) und Nigeria (81)
Abschiebungen nach Mazedonien oder Kosovo finden überwiegend vom Flughafen Karlsruhe Baden-Baden statt.
Als Abschiebung bezeichnet man eine staatliche Zwangsmaßnahme, nachdem ein Asylantrag abgelehnt wurde und die Person ausreisepflichtig geworden ist. Sie können als Einzel- oder Sammelabschiebung in Charter- oder Linienflügen stattfinden. Die Abschiebungen sind mit hohen Kosten für Charterflüge, mitfliegendes medizinisches Personal oder Sicherheitsbegleitung verbunden (s. kleine Anfrage der Fraktion Die Linke vom 24.02.2023).
Für die Durchführung und Begleitung der Abschiebung ist die Bundespolizei zuständig. Nicht selten wird die Abschiebung unter Anwendung von unmittelbaren Zwangsmaßnahmen durchgeführt.
Abschiebungen stellen eine physische und psychische Belastung für die Betroffenen, insbesondere für Kinder und Jugendliche, dar und führen oftmals zu (Re-)Traumatisierungen.

„Balkanroute“


Gefängnisartige Camps, Polizeigewalt und Pushbacks als Konsequenz bewusster Abschottungspolitik

Die „Balkanroute“ beschreibt die Wegstrecke von der Türkei nach Westeuropa. Sie wird seit Jahrhunderten für Handel- und Warentransfer, als Reiseroute und auch von Menschen auf der Flucht genutzt. Die “Balkanroute” als “Fluchtkorridor” existierte bereits vor den Migrationsbewegungen 2015 und der damit verbundenen medialen Aufmerksamkeit. EU-Politik und die Etablierung strenger Grenzregime führen dazu, dass sich die Route dynamisch verschiebt, denn Menschen sind gezwungen andere Wege nach (West-)Europa zu wählen.
Entlang der sogenannten „Balkanroute“ sind Gewalt, Schüsse und Pushbacks inzwischen traurige Normalität. Menschen leben unter elenden Bedingungen in Lagern, auf der Straße oder in improvisierten selbstorganisierten Camps und werden Opfer von brutaler Polizeigewalt an den Grenzen. Solidaritätsbewegungen aus der Bevölkerung werden systematisch unterbunden und die deutsche Regierung bleibt tatenlos unter dem Vorwand, auf eine „europäische Lösung“ zu warten. Stattdessen werden Transitländer mit Versorgung der ankommenden Flüchtenden allein gelassen, sie werden zudem als Torhüter der EU im Ausführen von Pushbacks bestärkt.
Vor allem in den Hauptstädten oder in der Nähe wichtiger Grenzübergänge bilden sich Camps und „Hotspots“ (informelle Camps), wo es den Geflüchteten an dem Nötigsten fehlt, und sie zudem der Polizei und Rechtsradikalen schutzlos ausgeliefert sind. Die Behörden versuchen dem Einhalt zu gebieten durch die Errichtung offizieller Camps, z.B. in Zusammenarbeit mit großen internationalen NGOs wie dem Roten Kreuz oder IOM. Auch hier sind Gewalt und Korruption präsent, zudem sind die Camps kilometerweit von Stadtzentren entfernt und verfügen über Ausgangsbeschränkungen. Unautorisierte Grenzüberquerungen („Games“) sind die einzige Möglichkeit für Flüchtende, in die EU zu kommen, und diese sind sehr gefährlich, vor allem im Winter. An fast jeder Grenze werden Pushbacks von Organisationen wie der Border Violence Monitoring Netzwerk (BVMN) dokumentiert. Die EU schweigt hierüber und unterstützt Pushbacks indirekt sogar durch Frontex-Polizist*innen und finanzielle Unterstützung für den Grenzschutz. Frontex ist in Griechenland, Kroatien und Ungarn aktiv, es häufen sich Vorwürfe, dass Frontex-Beamt*innen selbst an Pushbacks teilgenommen haben sollen. Zudem kooperiert Frontex mit nationalen Polizeibehörden, deren Verstrickung in illegale Abschiebungen belegt ist (z.B. in Ungarn, Griechenland, Kroatien, u.a.). Dennoch genießen Frontex-Beamt*innen in ihren Funktionen weitreichende Immunität, die auch vom Europäischen Gericht für Menschenrechte nicht eingeschränkt werden kann. Die Balkanbrücke ist ein Zusammenschluss aus Aktivist*innen, die auf die Situation von People on the Move entlang der sogenannten „Balkanroute“ aufmerksam machen.

Balkanroute. Nicht eingezeichnet: Route über balkanische Nicht-EU-Staaten. Quelle: siehe Bild; abgerufen per https://taz.de/Fluchtwege-nach-Europa/!5297523/.

Grenzgebiet Polen-Belarus


Systematische, gewaltvolle Pushbacks in den Wäldern an der EU-Außengrenze

Aktuell gibt es wenig Aufmerksamkeit für die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze, aber weiterhin versuchen Menschen, die Grenze zu überqueren und werden dabei gewaltvoll zurückgedrängt. Im Jahr 2021 begann Polen, an der Grenze zu Belarus einen 2,5 m hohen Zaun zu errichten. Es wurde entschieden, eine „solide Barriere mit Überwachungssystem und Bewegungsmeldern“ zu errichten. Der Bau des Grenzzauns erfolgte von Januar bis Juni 2022.
Das Parlament Polens hat beschlossen, das Grundrecht auf Asyl einzuschränken. Grenzschützer können nach polnischem Recht selbst entscheiden, ob sie den Schutzsuchenden die Chance auf das Stellen eines Asylantrags gewähren.
Im Winter 2022/23 wurden fliehende Menschen Opfer von Pushbacks und brutaler Gewalt bei Eiseskälte. In den letzten 1,5 Jahren wurden nach Angaben der polnischen Grenzbeamt*innen mehr als 50.000 Pushbacks nach Belarus durchgeführt. Immer wieder werden Menschen im Grenzstreifen vermisst oder tot aufgefunden. Fliehende Menschen werden mit brachialer Gewalt zurück in die Wälder gedrängt. Im Grenzgebiet zwischen Litauen und Belarus kommt es ebenfalls zu brutalen Pushbacks, fliehende Menschen erlitten Erfrierungen im Winter und verloren Zehen und Beine. Humanitäre Organisationen und Journalist*innen werden vom Betreten des Grenzgebiets abgehalten. Im Januar hat die litauische Regierung eine Regelung erlassen, welche Pushbacks als offizielle Vorgehensweise formalisiert. Das verstößt eindeutig gegen internationales Recht, da fliehenden Menschen ihr Recht, einen Asylantrag zu stellen, verwehrt wird.

Stacheldraht und Militärpolizei an Polnisch-Belarussischer Grenze. Quelle: Getty Images. Abgerufen über https://www.bbc.com/news/world-europe-59206685.

Evros/Meric/Maritsa

Landesgrenze zwischen Griechenland und Türkei.

Der Evros ist der Grenzfluss zwischen der Türkei und Griechenland, der somit zugleich eine EU-Außengrenze markiert. Viele Geflüchtete versuchen, den Fluss auf der Suche nach Sicherheit und mit dem Wunsch, in Europa einen Asylantrag zu stellen, zu überqueren. Die Region um den Grenzfluss ist Schauplatz brutaler und gewaltvoller Pushbacks, illegaler Zurückweisungen in die Türkei, durch griechische Sicherheitskräfte. Pushbacks sind völkerrechtswidrig, denn sie widersprechen der Genfer Flüchtlingskonvention: Kein asylsuchender Mensch darf einfach so in ein Land zurückgeschoben werden, in dem seine Sicherheit bedroht ist. Menschen werden dabei außerdem systematisch misshandelt, ausgeraubt, und inhaftiert. Es ertrinken auch immer wieder Menschen, die gezwungen werden, den Fluss erneut in Richtung der türkischen Seite zu durchqueren. Durch die brutale Gewalt erleiden viele Menschen schwere Verletzungen, manche kommen zu Tode. Die Gewalt am Grenzfluss Evros ist gut dokumentiert, aber bleibt in den meisten Fällen ohne Konsequenzen für die Täter.

Evros-Delta. Quelle: https://www.freeimages.com/photo/delta-of-evros-1395114.

Ventimiglia


nördlicher Hotspot in Italien.

In Italien wurde der „Flüchtlingsnotstand“ verhängt. Grund dafür sind die weiterhin steigenden Zahlen ankommender schutzsuchender Menschen über das Mittelmeer, seit Jahresbeginn 31.4000 Menschen. Die italienische Regierung fordert gemeinsame Maßnahmen der EU zur Verteilung auf andere Mitgliedsstaaten und will mehr Abschiebezentren schaffen und das Verfahren beschleunigen. Allerdings wird die italienische Regierung auch weiterhin mit der Unterbringung von anerkannten als auch abgelehnten Geflüchteten überfordert sein, die aufgrund fehlender Unterstützung und Unterkunft in andere europäische Länder weiterreisen.
Bereits 2015/16 haben Frankreich und die Schweiz ihre Grenzen zu Italien geschlossen, um die Einreise von Geflüchteten zu verhindern.
Einer der Hotspots ist Ventimiglia an der Grenze zu Frankreich. Versuche von Ventimiglia aus, die französische Grenze zu passieren, entweder mit dem Zug oder zu Fuß über die Berge, werden von den französischen Grenzschützern systematisch verhindert.
Obwohl das Verfahren der französischen Polizei, Menschen bis 30 km hinter der französischen Grenze festzunehmen, in Containern für mehrere Stunden am Tag oder über Nacht festzusetzen, um sie anschließend mit einem Einreiseverbot für Frankreich nach Italien zurückzubringen, vom obersten Gericht Frankreichs für rechtswidrig erklärt wurde, besteht es weiterhin. Die so festgesetzten Geflüchteten haben keinen Zugang zu Wasser, Essen und medizinischer Versorgung. Vor allem wird ihnen das Recht, einen Asylantrag zu stellen, verweigert.
Seit der Schließung des Camp Rioja sind die Geflüchteten sich selbst überlassen. Sie nutzen als Schlafmöglichkeiten den Strand, Plätze am Straßenrand oder unter Brücken und leer stehende Häuser. Es gibt nur ein von Vereinen organisiertes Familien-/Frauenhaus mit 15 Plätzen.
2015 erließ der damalige Bürgermeister von Ventimiglia eine Verordnung, die Privatmenschen verbot, Geflüchtete mit Essen zu versorgen.
Solidarische Unterstützung erhalten die Geflüchteten durch Graswurzelorganisationen wie Kesha Niya, die die Menschen mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Kleidung etc. versorgen.
Kesha Niya hilft außerdem mit Rechtsberatung oder leitet an Rechtsberater*innen weiter, z.B. Minderjährige, die ihr Alter nachweisen können und denen die Einreise verweigert wurde, können mit Unterstützung einer*eines Anwältin*Anwalts ein Verfahren einleiten, damit sie wieder zur Polizei gehen und die Grenze überqueren können, ohne aufgegriffen und zurückgeschoben zu werden.

Demonstration in Ventimiglia. Quelle: https://rdl.de/beitrag/das-italienische-calais-hei-t-ventimiglia.

Brüssel/EU

Flüchtlingspolitik der Abschottung und Missachtung der Menschenrechte.

2015 wurden in Ungarn syrische Kriegsflüchtlinge mit Schlagstöcken und Stacheldraht empfangen. In 2022 durften ukrainische Geflüchtete kostenlos mit der Bahn durch Europa fahren, um in einem Land ihrer Wahl Schutz zu suchen.

Das europäische Gleichheitsprinzip gilt nicht für Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung Schutz suchen. Während Europa den einen großzügig einen Aufenthalt gewährt, schottet sich Europa gegen Schutzsuchende aus anderen Regionen immer mehr ab.

Einige europäische Staaten haben meterhohe Grenzzäune installiert oder die Grenzen werden durch Satelliten sowie Drohnen überwacht. Frontex und Militärpatrouillen verhindern die Einreise geflüchteter Menschen in die EU.

Drittstaaten in Osteuropa sowie Nordafrika und die Türkei werden in der Flüchtlingsabwehr als „Türsteher“ genutzt, um Schutzsuchende bereits vor den Grenzen Europas abzuwehren. Dass es sich dabei um Staaten handelt, die die Menschenrechte von Flüchtlingen und oft auch die Menschenrechte ihrer eigenen Staatsbürger*innen missachten, interessiert Europa wenig.

Auch innerhalb Europas wird die Verantwortung für die Schutzsuchenden aufgrund der Dublin III Verordnung an die Randstaaten abgegeben. Diese reagieren mit menschenrechtswidrigen push backs oder mit unmenschlicher Behandlung der Geflüchteten, wie z.B. in Griechenland oder Ungarn, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert werden.

Aktuell wird über eine Reform des europäischen Asylsystems diskutiert mit einer neuen Asylverfahrensordnung. Schutzsuchende werden bereits an den europäischen Außengrenzen in Aufnahmezentren festgehalten, während ihre Asylanträge geprüft werden. Inwieweit sie Zugang zu Beratung und Unterstützung haben werden ist fraglich.

„Hinzu kommen die Pläne der EU-Kommission für die Ausweitung des Konzepts der sogenannten sicheren Drittstaaten: Ziel der Prüfung im Asylverfahren könnte primär die Frage werden, ob nicht ein außereuropäischer Drittstaat für die Schutzsuchenden »sicher« sei, so dass sofort dahin abgeschoben werden kann, ohne den Asylantrag überhaupt zu prüfen. Die Anforderungen daran, was als »sicher« gilt, sollen laut aktuellen Plänen im Rat der EU massiv gesenkt werden. Schutzsuchende sollen demnach sogar in Länder abgeschoben werden können, in denen sie noch nie waren oder in denen sie keinen Zugang zum Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben.“

Die geplante Reform wird die Situation geflüchteter Menschen an den Außengrenzen weiter verschlechtern und das Recht auf Asyl in Europa gefährden.

Es wäre zwingend notwendig, dass sich Deutschland in Europa für Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Flüchtlingsschutz positioniert. Stattdessen tritt Nancy Faeser für eine Verstärkung der europäischen Abschottungspolitik ein.

Wir schließen uns den Forderungen von pro asyl an:

– Keine Auslagerung des Flüchtlingsschutzes an Drittstaaten,

–  faire Asylverfahren statt Grenzverfahren unter Haftbedingungen,

– Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen beenden und ein solidarisches   

   Aufnahmesystem.

Das eine andere Flüchtlingspolitik in Europa möglich ist, hat die Aufnahme der schutzsuchenden Menschen aus der Ukraine gezeigt.



Begriffsklärungen

  • BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
  • NGO – Non-Governmental Organisation, dt. nichtstaatliche Organisation. Ehrenamtliche, oft aktivistisch ausgerichtete Organisationen, die häufig international arbeiten.
  • Pushback – (durch Sicherheitskräfte erfolgende, illegale) Zurückdrängung von Flüchtenden über eine Staatsgrenze. (duden.de; 20:46 22.04.2023)

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